Wenn wir die Nacht zum Tage machen
Bedarfs- und umweltgerechte Außenbeleuchtung im Vogelsberg (wg)
Straßenbeleuchtung im Gewerbegebiet Alsfeld. Stress für Pflanzen und Tiere. Foto: W. Gröning
Die Hintergründe
Wussten Sie, dass der Tag-Nacht Rhythmus als einer der fundamentalsten Zyklen, das Leben der allermeisten Lebewesen bestimmt und sogar in unseren Zellen verankert ist. Diese circadiane Rhythmik stellt eine Art innere Uhr dar, auch in uns Menschen und wird mit dem tatsächlichen Tag-Nacht Rhythmus ständig synchronisiert. Einige Lebensformen nutzen die dunkle Nacht zur Regeneration und zum Schutz, andere werden erst in dieser natürlichen Finsternis aktiv und bestreiten ihr Leben in ihr, mit allem was dazu gehört.
Dieser Zyklus ist so alt wie die Erde selbst und das Leben hat sich daran angepasst. Doch vor ca. 150 Jahren änderte sich die Situation drastisch, denn Erfinder und Unternehmer brachten mit der elektrischen Glühbirne Licht in die nächtliche Finsternis. Was jedoch in den anfänglichen Jahrzehnten kaum Erhellung brachte, hat sich mittlerweile zu einer realen Umweltbelastung entwickelt, denn der Mensch hat die Nacht zum Tage gemacht, was eindrucksvolle Nachtaufnahmen von Satelliten zeigen.
Auch die Sternenwelt Vogelsberg „leidet“ unter der zunehmenden Aufhellung des Nachthimmels in der Mitte von Deutschland und der Region Vogelsberg. Grund genug sich einmal damit auseinanderzusetzen, meinen wir.
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Warum erhellen wir die Nacht?
Die Gründe für eine zunehmende Außenbeleuchtung sind unterschiedlich, so sind Sicherheitsbedürfnisse und Gefahrenabwehr vielleicht noch verständlich, wenn gleich sie meist übersteigert sind und nur scheinbar mit einem Zuviel an Licht befriedigt werden. Ferner ist die nächtliche Beleuchtung in Gewerbegebieten schon lange aus dem Ruder gelaufen, schaut man sich beispielsweise die gigantischen Werbetafeln oder tageslichthell erleuchteten Kunden- und Mitarbeiterparkplätze an, die kein Beleuchtungsmaß mehr kennen, frei nach dem Motto, Hauptsache auffallen. Dabei werben groteskerweise viele Unternehmen immer mehr mit ihren nachhaltigen Ambitionen und ihrem Umweltbewusstsein, welches sie am liebsten ihren Kunden gleich mitverkaufen möchten. Klima- und Naturschutz ist halt hip und dient allzu oft nur als Mittel zum Zweck. Besonders dramatisch wird die Lage, wenn man bedenkt, dass schon seit Jahrzehnten die Stadt- und Landentwicklung Gewerbegebiete „auf der grünen Wiese“ bevorzugt ausweist, also an den Ortsrändern der Städte und Gemeinden und damit in bisherige unberührte Dunkelräume vordringt. Und da wären auch die lokalen und überregionalen Energieversorger und Anbieter von Beleuchtungskonzepten in die Verantwortung zu nehmen, die sich oft für die Umsetzung der Außenbeleuchtung im öffentlichen Raum zuständig zeichnen. Auch im privaten Bereich finden wir immer mehr negative Beleuchtungsidee, wie z.B. eine permanente Fassaden- und Gartenbeleuchtung, die heimischen Gartenbewohner wie Igel und Co. die Nacht rauben und den eigenen Blick gegen den gestirnten Himmel vereiteln.
Heller als der volle Mond präsentiert sich die urbane Gesellschaft in der Nacht. Hier in der benachbarten Wetterau. Foto: W. Gröning
Keine böse Absicht
Das „Licht am Ende des Tunnels“ ist meist schwach, aber es reicht aus, um den Ausgang zu finden. Dies gilt sicherlich auch für die überhandnehmende Lichtimmission, denn sie geschieht meist nicht bewusst, sondern aus Unbedachtheit und ohne böse Absicht. Aus diesem Grund möchte auch die Sternenwelt Vogelsberg über die Problematik aufklären und Lösungsansätze aufzeigen, die alle beteiligten Interessensgruppen überzeugen könnte. Das haben andere auch schon geleistet wie die Sternenstadt Fulda und der Sternenpark Rhön, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Region Vogelsberg, unter Beweis stellen.
Warum müssen wir die Nacht schützen?
Überlegen Sie einmal, was Sie von einer Nacht erwarten. Vielleicht sind ihre Gründe schon dabei.
- Schutz des Menschen vor Gesundheitsbeeinträchtigung durch Schlafentzug und Schlafstörungen.
- Schutz der nachtaktiven Fauna. Denken Sie dabei an das seit Jahren beobachtbare massive Insektensterben, an die Habitate der Fledermäuse oder den jährlichen Vogelzug, um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen.
- Schutz der nachtaktiven Flora. Viele Pflanzenarten werden nur in der Nacht bestäubt.
- Erhaltung eines dunklen Nachthimmels. Der Sternenhimmel ist ein Kulturgut. Er weckt Sehnsüchte, er erzählt tausend Jahre alte Geschichten. Für die junge Generation sind Sternwarten außerschulische Lernorte und Stätten der naturwissenschaftlichen Bildung und oft der Zugang zu den MINT-Fächern.
All diese Punkte sind uns wichtig, wenn es um den Schutz der Nacht geht. Für einen dunklen Sternenhimmel schlägt unser Herz aber besonders hoch.
Burgen & Schlösser sind Kulturdenkmäler und sehenswert Orte. Sie sind aber auch potentielle Habitate für nachtaktive Tiere und sollten deswegen wohlüberlegt szenisch illuminiert werden. Burg Ulrichstein. Foto: W. Gröning
Was kann ICH machen?
Jede und Jeder hat die Möglichkeit etwas zur Erhaltung der Nacht beizutragen. Jede und Jeder kann helfen bedarfs- und umweltgerechter zu beleuchten. Das beginnt bei der eigenen, privaten Außenbeleuchtung am Haus, im Garten, usw. und endet bei der Verabschiedung von Gesetzen zum Schutze der Natur und des Menschen, durch entsprechende politische Gremien. Jede und Jeder hat seinen eigenen Geltungs- und Einflussbereich, seinen „persönlichen Radius“, der Mal kleiner, mal größer ist und innerhalb dessen er agieren kann. Denken sie einmal darüber nach!
Was könnten Sie zukünftig bei Beleuchtungsvorhaben berücksichtigen?
- Idealerweise auf die Beleuchtung ganz verzichten oder weniger (Intensität und zeitlich) beleuchten.
- Grundsätzlich nur von oben nach unten beleuchten.
- Keine Kugelleuchten verwenden.
- Keine Bodenfluter verwenden.
- Licht nur unter der Horizontalen abstrahlen, d.h. z.B. nach oben abgeschirmte Leuchten verwenden.
- Dimmbare Leuchten verwenden.
- Licht nur auf die Nutzfläche, z.B. den Gehweg, die Hofeinfahrt oder den Hauseingang lenken.
- „Warme“ Lichtfarben verwenden, d.h. ohne oder mit geringen Blauanteilen. Technisch drückt man dies mit den sogenannten Farbtemperaturen aus. Werte zwischen ca. 1700 bis 2200 Kelvin (K) sind ideal. Mehr als 3000 Kelvin sollten unbedingt vermieden werden, denn es schützt so die Insekten. Auch wir Menschen sind im langwelligem, rotem Licht, weniger sehempflindlich.
- Keine Pflanzen (Bäume, Sträucher) beleuchten. Sie bilden nachts Rückzugsräume für Vögel und Insekten. Auch die Pflanzen selbst geraten in Stress.
Grafik: Carsten Przygoda, bearbeitet. Biosphärenreservat Rhön
Grafik: Carsten Przygoda, verändert. RP Kassel zum Thema nachhaltige Außenbeleuchtung
Wir helfen Ihnen gerne weiter. Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben lassen Sie es uns wissen. Lassen Sie uns gemeinsam den Vogelsberg dunkler machen, schützen Sie mit uns zusammen die Nacht, denn sie schütz auch uns und unsere Mitbewohner.
Hier haben wir noch einige nützliche Websites zum Thema. Andere Sternfreunde haben sich schon sehr viel Mühe gemacht und beschäftigen sich schon seit Jahren mit dem Schutz der Nacht. Schauen Sie sich selbst einmal in der Liste um. Herzlichen Dank und vielleicht bis bald in der Sternenwelt Vogelsberg.
Hessisches Netzwerk gegen Lichtverschmutzung
RP Kassel - Nachhaltige Außenbeleuchtung
Sternenpark Rhön - Unbedingt ansehen!
Sternenpark Rhön - Planungshilfen für Kommunen, Gewerbe und Private Haushalte
Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Eurobats No. 8 - Studie über Fledermäuse und Beleuchtungsprojekten